Aufholjagd ist angepfiffen

Der VfL Bochum glaubt wieder an die Chance des Klassenerhalts, zumal beim 3:1 gegen den SC Freiburg nicht nur Schiedsrichtergunst, sondern auch eine spielerische Steigerung den Ausschlag gab

AUS BOCHUMCHRISTOPH SCHURIAN

Seit neuestem hängt ein Fernseher im Fahrstuhlflur des Bochumer Stadioncenters, dort, wo Presse und Profis nach dem Spiel aufeinander treffen. Der Fernsehbericht vom 3:1-Heimsieg gegen Freiburg war längst versendet, als der neue VfL-Spielmacher Zvjezdan Misimovic mit einer steilen These aus der Kabine kam: Es wäre ein „klarer Elfmeter“ gewesen, diktierte der Ex-Bayer bajuwarisch nassforsch in die Mikrofone. Der beteiligte Linksaußen, Filip Trojan, war sich weniger sicher: Er „hoffe“, dass es ein Elfmeter war, sagte der Ex-Schalker. Als die TV-Bilder liefen, die sein Laufduell mit dem Freiburger Daniel Schumann zeigten, lächelte er noch seliger in die Runde: Trojan hatte sich wieder mit seiner Rumba-Hüfte in den Laufweg eines Gegenspielers gedrängelt. Beide strauchelten in den Strafraum. Schiedsrichter Knut Kircher zeigte auf den Elfmeterpunkt.

Für Freiburgs Trainer Volker Finke hatte das Spiel damit die erwartete Wendung genommen: „Die ganze Woche haben wir es befürchtet, dass hier eine Sache, die man eigentlich nicht pfeifen muss, anders entschieden wird“, sagte der Fußballpädagoge, und etwas nebulös, er wolle sich „das Maul nicht verbrennen“. Tatsächlich war dem Ruhrpottspiel im winterlichen Schauerwetter eine selten parteiische Medienwoche vorausgegangen, in der auch die Bild-Zeitung die angeblich chronisch benachteiligten Bochumer unterstützte – zuletzt hatte der VfL in Dortmund einen ausgebliebenen Elfmeter und ein aberkanntes Tor beklagt. Als ob Fußballspiele nicht von Zufällen und Tatsachenentscheidungen geprägt werden, sondern sich wie eine Rechenaufgabe summieren, kursieren dazu „wahre“, sprich: von Fehlentscheidungen bereinigte Tabellen, in denen für den VfL neun Punkte mehr zu Buche stehen und der Ruhrpott-Club auf dem rettenden 15. Tabellenplatz rangiert.

Am Samstag hätte Bochums seit der Winterpause konsequent verjüngte erste Elf freilich auf jede Schützenhilfe verzichten können. Schon vor dem Elfmeter hatte sich das Team Großchancen herausgespielt. Und als Freiburgs Keeper Richard Golz in der 70. Minute nach einer Notbremse vom Platz musste, führte der VfL mit zwei Toren. Im dritten Heimspiel des Jahres scheint in Bochum die schon zweimal angekündigte „Aufholjagd“ endlich begonnen zu haben:

Vom überaus feinfüßigen Misimovic im Mittelfeld und den zwei energischen Außenstürmern Tommy Bechmann und Filip Trojan geht nun Gefahr aus – so wurde dem Breisgauer Mittelfeldspiel die Außenbahn genommen. Auch harmonieren die drei jungen Offensiven viel besser mit Kopfstürmer Vratislav Lokvenc. Mannschaftskapitän Dariusz Wosz, der für Misimovic erst gegen Ende eingewechselt wurde, und Peter Madsen, nach seiner Tätlichkeit in Dortmund für vier Spiele gesperrt, verweigerten sich in der Hinrunde zumeist dem inselartigen Hochballspiel. Lokvenc gingen sie dabei so weit aus dem Weg, dass die gewonnenen Kopfbälle des Sturmhünen meist zum Gegner prallten. Jetzt rückt das stürmische VfL-Karo weit vor und Bochum träumt wieder vom Klassenerhalt – auf Mainz 05 wurden zwei Punkte aufgeholt.

Dass der VfL trotz Fehlentscheidungen zu Recht auf einem Abstiegsrang steht, demonstriert die auch von Freiburg sehr leicht aufzuscheuchende Abwehr. Raymond Kalla haut sich zwar schmerzverachtend in jeden Zweikampf, das Ganze bleibt aber etwas unkontrolliert. Einzig bei Standardsituationen hat der Kameruner mit seinen fünf Saisontreffern den Weggang von Frank Fahrenhorst zu Werder Bremen gut kompensieren können: Bei Bochums zweitem Treffer gegen Freiburg hielt wieder Kalla seinen Kopf in die scharfe Freistoßflanke von Trojan.

Bochums Zukunft wird hoffentlich spielerischer anmuten: Nach einem abgefälschten Weitschusstor von Freiburgs Dennis Aogo beendete Bechmann das aufregende Spiel betont gelassen. Nach einem Dribbling schob er den Ball ins lange Eck.

Nur Trainer Peter Neururer, der eigentliche Architekt der Bochumer Benachteiligungsthese, blieb angespannt. Er setzt nicht nur auf eine spielerische Zukunft: In einem ungewohnt kargen Abschlussstatement gab der prominente VfL-Fußballverkäufer weiterhin den Beleidigten: „Eine ausgleichende Gerechtigkeit kann es in dieser Saison nicht mehr geben.“ Neururer möchte auch nach Bremen als bedauerter Pechvogel reisen – hier hat der VfL Bochum übrigens noch nie gewonnen.

VfL Bochum: Vander - Colding, Kalla, Knavs, Bönig - Preuß (87. Tapalovic), Zdebel - Misimovic (73. Wosz) - Bechmann, Lokvenc, Trojan (79. Grote)SC Freiburg: Golz - Schumann, Chisaneischwili, Mohamad, Kruppke - Riether (58. Aogo), Antar (58. Tanko), Zkitischwili - Cairo (72. Reinard), Dorn, CoulibalyZuschauer: 22.820; Tore: 1:0 Misimovic (35./Foulelfmeter), 2:0 Kalla (55.), 2:1 Aogo (80.), 3:1 Bechmann (84.)Rote Karte: Golz (70./Notbremse)